Editorial 3/2022
Herausforderungen, wohin man blickt!
Der letzte Ärztetag 2022 in Bremen hat für uns Mediziner keine umwerfend neuen Erkenntnisse gebracht. Über allem steht der Gedanke der Kontinuität und des Fortschreibens alter Beschlüsse, ob sinnvoll oder nicht.
Eine intensive Diskussion gab es zum Führen der elektronischen Patientenkarte (ePA). Im gefassten Beschluss heißt es, der derzeit geringe Verbreitungsgrad sei unter anderem auf den „umständlichen Eröffnungsprozess und die komplexe Rechteverwaltung der Patientenakte“ zurückzuführen. Ein Opt-out-Verfahren sei prinzipiell mehrstufig für mehrere Aspekte einer elektronischen Patientenakte denkbar, so der Ärztetag. Statt expliziter Beantragung bei der jeweiligen Krankenkasse solle jeder Patient initial eine ePA erhalten, es sei denn, er widerspricht der Anlage. Diese längere und intensive sowie durchaus kontrovers geführte Erörterung zeigt, wie die Wogen in der Medizin temporären und anderen Strömungen folgen.
Die nun mit knapper Mehrheit beschlossene Opt-out-Funktion bedeutet, dass der Patient sich aktiv gegen die Speicherung seiner Daten in der elektronischen Patientenakte entscheiden muss. Generell ist der Arzt dann umgekehrt verpflichtet, routinemäßig eine Speicherung vorzunehmen. Angeblich seien beispielsweise zwei Drittel bis drei Viertel aller Privatpatienten an der entsprechenden Speicherung ihrer Daten an zentraler Stelle im Gesundheitswesen interessiert und würden keine Opt-out-Funktion wählen. Wie der durch die Telematikinfrastruktur erhöhte Aufwand in annähernder Weise im Zeitalter der Inflation und der steigenden Energiekosten abgebildet werden kann und soll, wurde dabei vergessen.
Zudem sollen alle Mediziner zunächst vollen Zugriff auf die Daten der ePA erhalten, es sei denn, der Patient schränkt die Zugriffsrechte explizit ein, was er technisch heute noch nicht kann. Dazu sollen alle Daten eines Patienten für Forschungszwecke zur Verfügung stehen, es sei denn, der Patient beschränkt eine Datenweitergabe. Es stellt sich somit weiterhin die Frage, wie zum Beispiel im Bereich der ästhetischen Dermatologie entsprechend dokumentiert werden soll. Ich persönlich sehe hier eine Grauzone, die sich vielleicht im Laufe der Jahre juristisch klären wird. Mein persönliches Verhältnis zum Patienten beinhaltet aber, dass ich seine Äußerungen und Wünsche in seiner Handakte dokumentiere. Da dies zum Teil auch sehr persönliche Angelegenheiten und Daten betrifft, wird man diese Äußerung nicht in der elektronischen Patientenakte finden.
Gleiches sollte auch für Fragen zur Geschlechteridentität, zur sexuellen Orientierung und für andere Themen gelten, die das Persönlichste im Leben betreffen. Der praktische Datenschutz ist in Deutschland viel zu schlecht, als dass man hier etwas dem Zufall überlassen könnte, wenn derartig persönliche Informationen an zentraler Stelle gespeichert werden. Dies gilt durchaus auch für STI-Diagnosen und gewisse Labordaten. Die heiße Nadel hilft da nicht weiter. Zu diesem Thema wird uns ein Jurist der Landesärztekammer Hessen bei nächster Gelegenheit in einem Aufsatz berichten. Letztendlich gilt das Vertrauensprinzip, was in der Medizin durch den Hippokratischen Eid seit Jahrtausenden geprägt ist.
Ein weiteres Thema auf dem Ärztetag war der Umgang mit genderfairer Sprache – wie halten Sie es persönlich? Anderen wichtigen Themen wie Corona-Pandemie, Affenpocken-Ausbreitung und grundlegende Hygienefragen, die Inflation und ihre Folge für die Gesundheitsfinanzen, die sicherzustellende Energieversorgung der Gesundheitseinrichtungen sowie die Auswirkungen des Ukrainekriegs – Themen, die die Zukunft der dermatologischen Versorgung bestimmen werden – hätte man zum Teil mehr Beachtung auf dem Ärztetag gewünscht.
Wir haben bei unserem anstehenden ADK-Grundkurs Anfang Juli in Tübingen wieder ausreichend Gelegenheit, fachspezifische Themen in verschiedenen Formaten zu diskutieren. Aus der reinen Betrachtung innovativer und beispielgebender Prozeduren kommen wir auch immer mehr in die Grundlagen und Werte unserer Medizin. Dabei ist es wichtig, dass sich eine Fachgesellschaft an den Wünschen ihrer Mitglieder orientiert und diese ihre Ideen und Vorstellungen einbringen im Sinne einer aktiven erfolgreichen Fachgesellschaft. Der stetig wachsende Mitgliederstand gibt uns recht!
Übersetzt: Die ADK ist offen für die Zukunft. Sie sind eingeladen, sie mitzugestalten!
Wir sehen uns in Tübingen!
Ihr
Dr. Matthias Herbst
Spezielle Informationen für Laien zum Thema Haut, Hautpflege und Kosmetik
ästhetische dermatologie & kosmetologie 4/2024
Themenschwerpunkte aus allen Bereichen der ästhetischen Dermatologie